Fremdverliebt? Und was nun?

In meinem Leben habe ich mich inzwischen schon einige Male, mal mehr, mal weniger doll „fremdverliebt“, während ich in einer festen, monogamen Beziehung war. Seit dem ich 15 war galt für mich das Motto: Wenn du dich in einer Beziehung fremdverliebst, stimmt etwas mit deiner Beziehung ganz und gar nicht! Überall in meinem Umfeld trennte man sich, weil sich irgendjemand mal in wen anderes verknallt hat. Für mich war es ganz klar, dass so ein „Fremdverlieben“ das endgültige Aus einer Beziehung bedeutete.

Logischerweise haben diese Gedanken und Ängste, die ich ständig mit mir herumtrug, großes Drama und Chaos in meinem (Beziehungs-)Leben angereichtet. Ich hab mich von meinen Gefühlen völlig überwältigen lassen. Hab mich komplett hineingesteigert in die Opferrolle, in dieses sich hilflos ausgeliefert fühlen. So extrem, dass ich seit Beginn meines Beziehungs-Lebens, also mit 15, eine stark ausgeprägte Angst davor entwickelt hatte mich in jemand anderen zu verlieben, der nicht mein Partner ist.

Und jetzt, gute 8 Jahre später, habe ich endlich begriffen, was es tatsächlich damit auf sich hat, und wie man konstruktiv und vor allem heilsam damit umgehen kann, wenn man sich in einer Beziehung mal fremdverliebt.

Wir verlieben uns immer in das, was wir nicht haben. Nehmen wir einmal an, es gäbe einen Menschen, der zu 100% in allen Aspekten seines Seins vollkommen erfüllt ist. Der jede Facette des Lebens bereits in sich trägt. Jedes seiner Bedürfnisse, jeder einzelne Wunsch, alles, was dieser Mensch ist und sein möchte ist zu 100% gegeben. Dieser Mensch hätte nicht mehr das Potential sich zu verlieben, denn ihm fehlt es an absolut gar nichts. Da es so etwas im echten Leben nicht gibt, besitzen wir alle das Potenzial uns zu verlieben. Auch während wir in einer Beziehung sind.

An dieser Stelle möchte ich kurz auf den Unterschied zwischen Lieben und Verliebtsein eingehen. Liebe ist dieses bodenständige, sichere, gefestigte Gefühl, dass wir mit einem Menschen erleben können, der uns auf tiefer Ebene berührt, der uns Sicherheit gibt, mit dem wir gemeinsam eine tiefe Verbindung eingehen wollen.

Verliebtsein ist ein beflügelndes, aufregendes, aktivierendes Gefühl, dass sich ganz besonders durch die Ausschüttung von Dopamin und Oxytocin auszeichnet. Oxytocin wird gebildet um die Vertrautheit und Bindung zwischen den beiden Menschen zu gewährleisten. Dopamin ist ein Glück- und „Belohnungs-Hormon“, dass unser System aktiviert und in Leistungsbereitschaft bringt. Wenn wir verliebt sind, sind ähnliche Gehirnareale aktiv, wie wenn wir Drogen konsumieren würden. Das hat den evolutionsbiologischen Vorteil, dass wir bereit sind Die Bindung zu diesem Menschen zu intensivieren, was wiederrum zu potentieller Fortpflanzung und damit zur Sicherung unserer Art beisteuert. Ich weiß, sehr romantisch ? Manchmal wird aus Verliebtsein Liebe, manchmal nicht und manchmal wird daraus auch emotionale Abhängigkeit, aber das ist wiederrum ein anderes Thema.

Was ich damit sagen möchte: Wir dürfen lernen dieses Gefühl als das zu betrachten, was es ist, nämlich ein Hinweis darauf, was dir in deinem Leben noch fehlt und was dir wirklich, wirklich wichtig ist. Wie wir weiter damit weiter umgehen, das obliegt dann unserem freiem Willen.

Wenn es dir in deiner Beziehung also an etwas fehlt, dann steigt damit automatisch das Potential, dich in einen Menschen zu verlieben, der dir genau dieses fehlende Bedürfnis erfüllen kann. Es kommt dabei allerdings in erster Linie nicht wirklich auf den Menschen an, sondern auf seine Eigenschaften. Wir verlieben uns in Eigenschaften, die in uns ein aufregendes Gefühl von Verliebtsein und Lebendigkeit auslösen. Im Grunde ist Verliebtsein nur das Gefühl eines Triggers, der dich darauf aufmerksam macht, was dir in deinem Leben fehlt.

Und demnach wird es auch immer etwas geben, dass uns noch irgendwo fehlt, dass wir noch auf irgendeine Weise in unser Leben ziehen wollen. Und das hat immer zur Folge, dass man sich verlieben kann, in einen Menschen, der genau so ein Gefühl in dir auslöst.

Wenn du dich beispielsweise in einer Beziehung befindest, in der es dir an Sicherheit und Geborgenheit fehlt, wirst du dich möglicherweise als nächstes in einen Menschen verlieben, der sich für dich anfühlt, wie ein Fels in der Brandung. Innerhalb dieser Beziehung mit diesem Menschen könntest du das Gefühl von Sicherheit nun so weit integrieren und dich sozusagen daran gewöhnen, dass du irgendwann eventuell feststellen wirst, dass es sich plötzlich langweilig anfühlt immer im Zustand ‚Sicher und Geborgen‘ zu sein. Vielleicht fehlt es dir jetzt an Flexibilität und Spontanität. Dem entsprechend steigt nun das Potenzial dich in einen Menschen zu verlieben, der eben genau das verkörpert: Leichtigkeit, Spontanität, Lebenslust, Abenteuer.

An dieser Stelle ist es wichtig sich einzugestehen, dass man sich verliebt hat und zwar in erster Linie nicht in den Menschen per se, sondern in eine ganz bestimmte Eigenschaft. Hinterfrag dich also an dieser Stelle einmal selbst: In welche Eigenschaft hast du dich verliebt? Was ist es, was dir aktuell in deinem Leben fehlt und was du durch diesen Menschen in dein Leben ziehen möchtest?

Und jetzt geht es darum, offen und ehrlich zu kommunizieren und deinem Partner genau das zu erklären. Und damit einhergehend, wirst du mit hoher Wahrscheinlichkeit Schmerzen und Ängste bei ihm oder ihr verursachen. Du wirst dabei in Kauf nehmen müssen, dass die Harmonie in deiner Beziehung für eine gewisse Zeit darunter leidet. Und du wirst deinem Partner nicht mehr helfen können, als dass du ihm Zeit geben kannst das zu verinnerlichen und erstmal für sich selbst zu verarbeiten. Und das ist hart, denn niemand von uns möchte den Anderen verletzen. Erst recht nicht den Menschen, den man liebt. Und gleichzeitig steckt dahinter eigentlich das Gefühl von „Ich ertrage es nicht dich leiden zu sehen“, was uns häufig davon abhält, offen und ehrlich über unsere Gefühle zu sprechen. Wir dürfen lernen die Verantwortung an der Stelle wieder dahin zurückzugeben, wo sie hingehört, nämlich zu deinem Partner. Er ist in der Lage diese Gefühle zu halten, genauso, wie wir auch in der Lage sind sie zu halten. Und wir dürfen lernen, den Schmerz unseres Partner zu ertragen.

Betrachte es mal aus der Perspektive: Wenn du es nicht ansprichst, wirst du dich früher oder später in einer noch viel chaotischeren, schmerzvolleren und vor allem dramatischen Situation wiederfinden. Nämlich genau dann, wenn die Gefühle für den anderen Menschen so stark werden, dass du entweder gleich Schluss machst oder deinen Partner betrügst oder in einer anderen Form eure Grenzen überschreitest und euer Vertrauen gefährdest.

In dem du von Anfang an offen und ehrlich mit deinem Partner sprichst, holst du die Verantwortung zu dir zurück, bewahrst deine Würde und bringst deinem Partner genau den Respekt, das Vertrauen und die Wertschätzung entgegen, die er verdient hat.

Das coole darin ist: Anstatt in deinem Elend zu baden, dich ausgeliefert und machtlos zu fühlen, kannst du dir bewusst machen: Hey, da fehlt offenbar etwas in meinem Leben, dass mir unheimlich wichtig ist. Wie kann ich das zukünftig in mein Leben ziehen? Und schwubs, hast du deine Eigenverantwortung, deine Leichtigkeit, deine positive Einstellung und vor allem deine Würde zurück.

Versteh das mal: Du bist deinen Gefühlen nicht ausgeliefert. Sie zeigen dir nur das, was dir wirklich wichtig ist im Leben. Welche Eigenschaften du in dein Leben ziehen willst und welche dir nicht (mehr) dienen.

Also: Wenn du dich in jemand anderen verliebt hast, dann ist das kein Zeichen dafür, dass etwas mit der Beziehung nicht stimmt, sondern, es ist ein Zeichen dafür, dass du hinschauen und die Botschaft erkennen darfst, die für dich darin liegt.

Und genau an dieser Stelle holst du auch die Macht zu dir zurück um zu entscheiden, wie du dein Leben führen willst. Willst du mit deinem Partner zusammenbleiben? Dann findet (am besten gemeinsam) heraus, wie ihr mehr dieser Eigenschaft (Zum Beispiel Leidenschaft, Lebendigkeit, Abenteuer) in eure Beziehung holen könnt. Was würde mit deiner Beziehung passieren, wenn diese Eigenschaft plötzlich fester Bestandteil deiner Beziehung wäre? Das könnte der Wunsch sein, der dahinter steht.

Oder stellst du fest, dass du diese Eigenschaft, diesen Wert, der dir offensichtlich so wichtig ist, in deiner Beziehung nicht finden kannst. Dann wäre für dich vielleicht der richtige Weg zu gehen. Diese Erkenntnis erlangt man jedoch meist erst dann, wenn man es einmal mit dem Partner probiert hat und der Beziehung die Chance dazu gegeben hat zu wachsen.

Wusstest du, dass jeder von uns einen gewissen „Grundstock“ von Menschen besitzt, die energetisch zu uns passen? Das heißt nur mit diesen Menschen, können wir wirklich langfristig in Beziehung gehen, wenn wir das wollen, weil mit diesem Menschen die sprichwörtliche „Chemie“ stimmt. Ob es mit einem Menschen auf energetischer Ebene passt, merkst du daran, ob er für dich gut riecht, ob du eine angenehme Anziehung zwischen euch spürst – sozusagen eine gemeinsame Wellenlänge. Und diese Entscheidung triffst nicht DU mit deinem Wachbewusstsein, sondern die trifft dein Körper – dein Unterbewusstsein. Die Grundvoraussetzung für eine glückliche Beziehung ist also tatsächlich die Chemie. Deswegen frag dich an dieser Stelle gern einmal: Passen du und dein Partner auf energetischer Ebene wirklich (noch) zusammen oder verdrängst du Signale, die dir dein Körper sendet?

Zwischen all diesen Menschen, die energetisch zu dir passen gibt es im Grunde gar keine soo großen Unterschiede. Natürlich, jeder Mensch ist anders, jeder Mensch hat andere Werte und Eigenschaften und auf jeden Fall wird sich jede Verbindung von der anderen in gewissen Punkten unterscheiden, aber keiner dieser Menschen, wird dir zu 100% deine Bedürfnisse und Wünsche erfüllen. Das bedeutet, auch, wenn du dich für einen neuen Menschen entscheidest, wirst du nach geraumer Zeit an genau dem gleichen Punkt stehen, an dem du jetzt gerade stehst. Nämlich an dem Punkt, an dem du merkst, dass dir etwas fehlt, dass du Gefühle für jemand anderen entwickelt hast, dass du wieder kurz davor bist einen geliebten Menschen zu verletzen – Jedenfalls solange, bis du dir das Thema dahinter – nämlich das was dir fehlt – endlich anschaust. Du wirst so lange „Ehrenrunden“ mit neuen Partnern drehen oder irgendwann unglücklich bei ihnen bleiben bis du diesen Kreis durchbrichst und das, was dir fehlt selbst in dein Leben integrierst. Solange du das nicht anschaust, wirst du immer wieder mit den gleichen Themen zu tun haben. Eine Flucht aus der Partnerschaft ist damit definitiv keine langfristige Lösung – aber es sollte auch nicht der Grund sein, aus dem du bei deinem „alten“ Partner bleibst.

Frag dich lieber: Bist du bereit mit diesem Partner gemeinsam durch diese ganzen Hürden und Herausforderungen zu gehen und mit ihm gemeinsam an deiner Integrität zu arbeiten?

Das einzige, was du tun kannst ist also offen, ehrlich und integer deine Gefühle mit deinem Partner zu teilen.

Wir können nie wissen, was daraufhin passieren wird. Wir wissen nur DAS etwas passieren wird. Und das, was passieren wird, wird genau das richtige für euch beide sein. Genau das, was ihr braucht. Nicht unbedingt das, was ihr wollt aber definitiv das, was ihr braucht.

Und ja, ihr legt damit möglicherweise erst einmal die Harmonie zwischen euch auf Eis. Ihr erzeugt Chaos. Ganz bewusst und aktiv. Und das fühlt sich scheiße an. Punkt.

Aber alles andere wäre geheuchelt, unehrlich und Selbstsabotage – Ein künstlich hervorgerufener Zustand von Pseudo-Harmonie, weil ihr ganz genau wisst, das darunter sehr viel Schmerz und unterdrückte Bedürfnisse liegen. Und wenn ihr ehrlich zu euch seid, werdet ihr merken, dass all das Warten, nur das herauszögern des Unvermeidbaren war. Das bedeutet nicht, dass ihr jetzt sofort losstürzen und euren Partner einweihen müsst. Finde die Klarheit ruhig erstmal für dich selbst. Lass es sacken und finde eine innere, dramafreie und herzoffene Haltung mit der du bestimmt und liebevoll das Gespräch suchen kannst. Das muss nicht heute sein, aber sei dir bewusst, dass es früher oder später passieren wird – ob mit oder ohne Drama, Chaos und Leid, das hast du selbst in der Hand.

Es klingt paradox, aber ihr dürft darauf vertrauen, dass alles genauso kommt, wie es kommen soll. Ihr könnt es eh nicht kontrollieren. Ihr könnt eh nichts und niemanden festhalten. Das sind lediglich verzweifelte Versuche, die Zeit hinauszuzögern, weil sich diese Pseudo-Harmonie sicherer anfühlt. Ich hab es selbst jahrelang so praktiziert, aber es hat nichts an dem geändert, was letztendlich unausweichlich passiert ist.

Ob ihr wirklich für den Rest eures Lebens zusammenbleiben könnt oder nicht, dass kann euch keiner sagen, ihr müsst es herausfinden. Ihr müsst den Weg gemeinsam beginnen, Erfahrungen sammeln und herausfinden, ob ihr diesen Weg auch gemeinsam beenden könnt oder nicht. Und genau in diesen Prozess dürft ihr vertrauen- Darauf, dass das Höchste und Beste für euch passieren wird. Das Leben passiert niemals gegen euch. Es passiert immer FÜR euch.

Wenn du oder ihr euch in einem offenen oder einem polyamoren Beziehungsmodell befindet, dann müsst ihr hier natürlich keine Entscheidung für den einen oder den anderen Menschen in diesem Sinne treffen. Dann solltet ihr euch zwar trotzdem anschauen, was es ist, was euch fehlt und Verantwortung für euch selbst übernehmen, aber ihr könnt ihr beide bzw. alle Partner mitnehmen auf diesem Weg.

Also – egal, wie die Situation bei euch aussieht, egal in welchem Modell ihr euch befindet, egal, was eure konkrete Herausforderung ist: Für deine Beziehung ist es essentiell wichtig, dass du mit offenen Karten spielst und deinen Partner oder deine Partner in deine Gefühlswelt, in dein Dilemma mit hereinnimmst und erklärst, wie es dir geht – wie dein aktueller IST-Zustand ist. Und dann wird etwas in deiner Beziehung passieren. Die Dynamik wird sich definitiv erst einmal verändern, aber genau daran wirst du erkennen, ob es mit euch funktioniert oder nicht. Und egal, wie es am Ende ausgeht, es wird das Richtige für euch beide / für euch alle sein. Auch, wenn es an der ein oder anderen Stelle erstmal schmerzhaft ist.

Versucht gemeinsam eine Lösung zu finden. Es ist für euch beide schmerzhaft. Ihr habt garantiert beide Angst davor. Geht diesen Schritt gemeinsam und findet heraus, ob der Weg danach auch noch für euch beide bestimmt ist oder nicht. Der Schmerz wird euch auf kurz oder lang nicht erspart bleiben, auch wenn ihr es vor euch herschiebt. Das ist die Dualität des Lebens – der ihr können wir nicht fliehen. Wir können nur lernen heilsam mit ihr umzugehen.

Und vielleicht stellt dich dein Leben, das Universum, was auch immer, gerade jetzt in diesem Moment vor die Aufgabe, damit du dich jetzt darum kümmern kannst. Vielleicht gibt es dir gerade jetzt die Chance dieses Thema aufzulösen, es loszulassen, an dir zu arbeiten und zu wachsen.

Die Frage ist: Willst du diese Herausforderung annehmen? Oder willst du dich weiter im Kreis drehen?

Ich weiß, wie herausfordernd und beängstigend dieses Thema sein kann. Ich weiß, dass in der Welt leider kaum darüber gesprochen wird. Ich möchte es hiermit aus der Tabuzone holen und dir in aller Liebe sagen, dass du es verdient hast glücklich zu sein, mit allem was dazu gehört. Und ich möchte dir sagen, dass du allein die Macht besitzt, dein Leben zu dem geilsten zu machen, dass du dir vorstellen kannst. Und deswegen sollten wir so ehrlich und aufrichtig und authentisch und neugierig sein, wie nur irgendwie möglich!

Falls es sich für dich auch total überfordernd anfühlt, ist das folgende Fließschema, das ich entworfen habe, genau richtig für dich. Darin habe ich Schritt für Schritt zusammengefasst, wie du vorgehen kannst, wenn du in einer Beziehung bist und dich in einen Menschen außerhalb dieser Beziehung verliebt hast.

Wie stehst du zu diesem Thema? Siehst du es ähnlich wie ich oder ganz anders? Teil es gerne mit mir in der Kommentarfunktion oder auf Instagram @anika.kraemer.

Alles Liebe für dich!

Deine Anika <3

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